Donnerstag, 5. April 2018

Nara - Kurzbesuch bei Buddha

Nachdem sich die letzten Tage komplett in Kyoto abgespielt hatten, wurde es heute Zeit den Rail Pass zu nutzen. Am Hauptbahnhof stiegen wir in den Schnellzug nach Nara, der fast vollständig von Touristen besetzt war.

                                 


Nara ist eine der alten Kaiserstädte Japans und war in dieser Hinsicht Vorgänger von Kyoto. Anfangs war es so, dass die Hauptstadt mit dem Tod des Kaisers verlegt wurde, denn der Sterbeort galt als unrein. Später spielten auch politische Belange eine Rolle. Denn in Nara hatte sich der Buddhismus als politische Kraft etabliert und einen gewaltigen Einfluss gewonnen, dem man Einhalt gebieten wollte, als man entschied Kyoto zum neuen Regierungssitz zu machen.

Vom Bahnhof Nara aus gelangt man in ein paar Minuten zum großen Park im Osten der Stadt, der einige Welterbestätten und den Großteil von Naras Sehenswürdigkeiten in sich vereint. Auch hier hatte der Frühling mit der Kirschblüte wunderschöne Bilder geschaffen.


Es dauerte nicht lange und wir begegneten der eigentlichen Attraktion Naras. Seinen bekanntesten und beliebtesten Bewohnern. Denn mal ehrlich, wer behauptet er komme nur für die Tempel und Schreine nach Nara, für das Kulturerbe, für die tolle Natur im Park, für den eindrucksvollen Daibutsu... der lügt. Jeder kommt für die Sika-Hirsche, jeder!

Vor vielen hunderten Jahren wurden die Sika-Hirsche, die wir im Weiteren einfach Rehe nennen wollen, als Wahrzeichen einer mächtigen Familie zu heiligen Tieren erklärt und auf dem Gebiet Naras gepflegt und behütet. Das Ergebnis ist eine große Population an zahmen Rehen, die sich komplett an die Menschen gewöhnt hat und keine Chance auslässt, sich mit leckeren Senbei-Crackern füttern zu lassen. Die Cracker werden speziell für die Rehe hergestellt und an allen Ecken des Parks für günstige 150 Yen pro Pack (etwa 1,30 Euro) verkauft.

Natürlich sind die Rehe trotz allem wilde Tiere. Manche lassen sich vorsichtig streicheln, andere suchen bei nahenden Händen das Weite... Warnschilder weisen auf den richtigen Umgang hin, denn übermütige und rücksichtslose Touristen fangen sich schon mal einen Biss, Tritt oder Kopfstoß ein. Insbesondere sollte man die Tiere nicht mit dem Futter provozieren, indem man es ihnen hinhält und dann wieder wegnimmt - entweder es wird richtig gefüttert oder gar nicht. Wenn man diese wirklich einfachen Regeln beachtet und die Tiere respektiert, gewinnt man zeitweise putzige Reisegefährten, die Nara zu einem ganz besonderen Erlebnis machen.

Wenn sie Futter riechen, werden die Rehe gern aufdringlich. Egal ob man wirklich noch welches hat oder nicht. 





Nara ist zwar hauptsächlich durch den Buddhismus geprägt, hat aber auch in Bezug auf Shintoismus einiges zu bieten. Insbesondere den Schrein Kasuga-Taisha. Er versteckt sich in einem Urwald, der bereits allein zu einer magischen Stimmung beiträgt. Untermalt wird die Heiligkeit des Ortes dann durch hunderte Steinlaternen - allesamt in Handarbeit hergestellt - die die Wege zum Schrein säumen. Nur zu zwei Feiertagen im Jahr werden die Laternen angezündet und verwandeln den Wald in ein Tor zur Welt der Götter.


Noch eine Besonderheit der Rehe von Nara - sie haben sich von den Japanern eine der typischsten Gesten des Landes abgeschaut: die Verbeugung. Wo wir Deutschen uns die Hände schütteln, verbeugen sich die Japaner bei jeder Gelegenheit. Begrüßung - Verbeugung! Bestellung im Restaurant angenommen - Verbeugung. Wechselgeld gegeben - Verbeugung. Der nette Ausländer ist zur Seite gesprungen damit ich mit dem Fahrrad durchkomme - Verbeugung.
Und so weiter.

Bei den Rehen bedeutet die Verbeugung zwei Dinge: Ersten - will Futter! Zweitens - danke fürs Futter, will mehr Futter!
Wie bei den Menschen gibt es auch bei den Rehen jene, die nur mit dem Kopf nicken und andere, die sich tief verbeugen. Und selbst die Jungtiere lernen dieses Verhalten mittlerweile durch Beobachten und Nachahmen.

Konnichiwa - und jetzt gib mir was zu Fressen! 




Typisch Japanisch: Kakigoori - geraspeltes Eis mit süßem (und sehr künstlich schmeckendem) Sirup 




Nach einiger Zeit und einer Menge verfütterten Crackern (wir wissen jetzt seeeeeeehr genau woher der Begriff "Rehaugen" kommt) erreichten wir den Kasuga-Schrein und gelangten für einen kleinen Eintritt in das Innere. Der Schrein feiert aktuell sein 1250-jähriges Bestehen, also: Alles Gute zum runden Geburtstag!

Neben einem riesigen heiligen Baum, mehreren kleinen Schreinbauten und einer Unmenge an Laternen im Außenbereich hatte der Schrein ein ganz besonderes Erlebnis...


An einer unscheinbaren Stelle traten wir durch einen mit dicken Vorhängen verdeckten Eingang und standen plötzlich im Dunkeln. Das heißt, nicht ganz, den überall vor uns flackerten die Lichter von hunderten Laternen. In die Tiefe des Raums, nach links und nach rechts - überall schienen Laternen zu sein.



Zwischen den Laternen führte ein Gang einmal durch den Raum, und erst beim Hindurchgehen fällt auf, wie trickreich der Raum gestaltet ist. Denn was beim ersten Betreten völlig in dem Überwältigenden Anblick untergeht ist, dass der Raum von außen eigentlich gar nicht so groß aussah wie er von innen wirkt. Das Geheimnis sind Spiegel an den Wänden, die die leuchtenden Laternen bis ins unendliche Spiegeln. Und damit nicht gleich auffällt, dass man eigentlich mehrfach die selben Laternen sieht, sind die sichtbaren Vorder- und die gespiegelten Rückseiten jeweils unterschiedlich gestaltet.




Danach ging es weiter Richtung Todaiji, der wohl bekannteste der Tempel Naras. Auf dem Weg fanden wir dieses niedliche Arrangement mit allen Tieren des chinesischen Tierkreises, ganz vorne der Hund, in dessen Zeichen das Jahr 2018 steht.



Kauft bei mir Futter - für mich! 


Schließlich standen wir auf dem inneren Gelände des Todaiji, der zuerst einmal durch seine gewaltige Holzhalle auffällt, die viele Jahre das größte aus Holz gebaute Gebäude der Welt war. Den Titel musste die Halle zwar mittlerweile abgegeben, ihre beeindruckende Gestalt hat aber nichts an Wirkung eingebüßt.



Im Inneren der Halle zündeten wir ein paar Gebetskerzen an und bestaunten schließlich den Daibutsu - den großen Buddha von Nara. Mit etwa 20 Metern ist er einer der größten Buddhas Japans und definitiv der Bekannteste. Er sitzt auf einer gewaltigen Lotosblüte, deren einzelne Blätter jeweils über zwei Meter hoch sind. Umgeben ist er von weiteren Gottheiten sowie den Himmelskönigen - Kriegsgöttern die den Buddha beschützen.





Zum Abschluss probierte sich Arthur noch mit einer Tradition des Todaiji. In einer auf den ersten Blick unscheinbaren Säule klafft ein Loch, das in seiner Größe dem Nasenloch des Großen Buddhas entspricht. Schafft man es, sich durch das Loch zu zwängen, soll das Glück bringen. Für Kinder einfach machbar, aber gerade westliche Erwachsene haben hier nicht die besten Erfolgschancen.
Arthur hat es aber geschafft und kann nun wohl auf viele weitere glückliche Jahre hoffen - schließlich hat er auch nahezu jeder Gottheit an deren Schrein und Tempel wir bereits waren, ein paar Yen als Spende zukommen lassen.





Während sich Moni und Momo dann auf den Nachhauseweg machten, stand für den Rest der Gruppe noch ein abenteuerlicher Ausflug an. In den Jahrzehnten nach dem Krieg blühte Japan wirtschaftlich auf, unter anderem durch einen gewaltigen Bau-Boom. Teil dieses Booms waren unzählige Vergnügungsparks im ganzen Land, von denen viele pleite gingen und letztlich der Natur überlassen wurden. Ein solcher Park war das Nara Dreamland, und wir hofften einen Einblick in den verlassenen Park bekommen zu können.

Nach einer kleinen Wanderung an den Stadtrand, einem Weg durch ein leicht verfallenes Baselball-Stadion und einer Kletterpartie einen Abhang hinauf fanden wir - leider nur noch eine leere Fläche mit Schuttresten. In den letzten Jahren hatte man wohl entschieden, das Dreamland zu beseitigen - 2009 war es jedenfalls noch an Ort und Stelle.
Komplett umsonst war der Ausflug zum Glück nicht, denn Durchgangstunnel, Treppen, ein altes Schild und Reste von Merchandise-Artikeln mit Superhelden-Motiven gaben einen winzigen Einblick in die Geschichte des Ortes.






Wieder zurück in Kyoto liefen wir - trotz abendlicher Kühle und starkem Wind - noch hinauf auf den Sky Garden, die Aussichtsplattform auf dem Dach des Bahnhofs von Kyoto, von dem aus sich ein toller Blick auf das leuchtende Kyoto bot.




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