Mittwoch, 4. April 2018

Kirschblüten und Blattgold

Wer in Kyoto unterwegs ist, hat einige Möglichkeiten zur Auswahl. Mit einem dichten Netz aus Stadtbussen, Zug und U-Bahn lassen sich an einem Tag viele der bekannten Sehenswürdigkeiten abklappern. Wer aber die Zeit und den Mut hat, die Stadt abseits der ausgetretenen Touristenpfade zu erkunden wird feststellen, dass man Kyoto sehr gut zu Fuß erkunden kann, ohne sich im japanischen Großstadtdschungel zu verlieren.

Mit diesem Wissen in der Hand zogen wir zu unserem heutigen Tagesziel, dem Goldenen Pavillon Kinkakuji, also einfach per pedes los - schließlich liegt er gleich angrenzend zu unserem Stadtteil Kamigyo.

Entlang der Einkaufsstraße Nakadachiuri, an der wir wohnen, ging es also erstmal zum Kitano-Tenmangu, einem Shinto-Schrein, der einem historischen Gelehrten und Politiker gewidmet ist. Heute hilft er als Tenjin, Gottheit des Wissens, besonders denen, die Prüfungen vor sich haben. Für entsprechende Freunde aus unseren Kreisen warfen wir also gleich mal ein paar Münzen in die bereitstehende Spendenbox und richteten ein Gebet an Tenjin-sama. 
Das geht so: man nähert sich dem Schrein und verbeugt sich, wirft die Spende in die Box, läutet eine der hängenden Glocken, verbeugt sich noch zwei Mal, klatscht zwei Mal in die Hände und denkt sein Gebet. Mit einer letzten Verbeugung ist das Ritual beendet und man kann wieder gehen.




 Der Stier ist das Botentier Tenjins und überall auf dem Gelände zu finden



Das Tenjin ein sehr beliebter Gott ist, zeigte allein die Größe des Schreins. Auf dem Gelände fanden wir neben vielen Kirschbäumen auch Plätze mit Abertausenden Wunschtäfelchen und ein malerisches Tal voll von japanischen Ahornbäumen, die im Herbst in glühendem Rot erblühen und einen unglaublichen Anblick bieten müssen.





Nach dem Verlassen des Kitano-Tenmangu kamen wir gar nicht weit, bis wir völlig unerwartet vom Reiseglück überrannt wurden. Ein paar Meter die Straße entlang begrüßte uns - wie soll es in Kyoto sein - gleich ein weiterer Schrein. Welcher Gottheit er gewidmet ist, wir wissen es nicht.
An einem normalen Tag wäre hier wahrscheinlich nicht viel los gewesen, der Schrein war überschaubar klein und stach durch keine Besonderheiten hervor.

Aber es war ja kein normaler Tag - es ist die Zeit der Kirschblüte. Und zum Schrein gehörte ein kleiner Park, der nahezu komplett aus Kirschbäumen bestand, die in voller Blüte standen. Einige Essens- und Spiel-Buden ergänzten das stattfindende Kirschblüten-Fest. Das Beste: weder dieser Schrein noch der Stadtteil selbst sind touristisch von großer Bedeutung - außer uns hatte sich also nur eine Handvoll westlicher Touristen hierher verirrt. Plötzlich standen wir mittendrin in einem Japan, das nicht für internationale Besucher aufbereitet worden war.









Bei dieser günstigen Gelegenheit probierte Moni auch gleich noch ein Spiel aus, das typisch für japanische Schreinfeste ist. In einer Wanne mit Wasser liegen Wasserballons, die an Gummibändern befestigt sind, an deren Ende sich eine Schlaufe befindet. Gegen einen kleinen Betrag von 200 Yen bekommt man eine Wäscheklammer, an der ein gedrehtes Papierband hängt, das wiederum einen Haken hält.
Nun muss man mit dem Haken eine der Gummischlaufen erwischen und den Ballon aus dem Wasser heben - nur dass dabei das Papierband nass wird und jederzeit reißen könnte. Wer einen Ballon erwischt, darf ihn dann natürlich behalten und als Siegestrophäe stolz durch die Stadt tragen.




Ob der zweite Ballon immer dabei ist, oder uns als Touristenbonus gewährt wurde, wissen wir leider nicht. Spaß gemacht hat es in jedem Fall.


Nach diesem unerwarteten Intermezzo machten wir uns weiter auf den Weg zurück in die touristische Ader der Stadt. Denn im Norden Kyotos steht, eingebettet in einen perfekt geplanten und gepflegten japanischen Landschaftsgarten, der Kinkakuji - der Goldene Pavillon.

Die Geschichte in Kurzfassung: Der Pavillon wurde ursprünglich als Alterswohnsitz eines Shoguns - also eines Militärherrschers - geplant, später aber zum Tempel umgewidmet. Auch seinen goldenen Anstrich bekam er erst im Laufe der Jahre. In der Neuzeit geschah es schließlich, dass ein Mönch, der die Schönheit des Pavillons nicht ertragen konnte, ihn kurzerhand in Flammen setzte.

Der heutige Kinkakuji ist daher ein originalgetreuer Nachbau, der nichts von seiner Schönheit eingebüßt hat. In seinem Inneren werden einige Statuen und Schätze aufbewahrt, die nur selten ein Mensch zu Gesicht bekommt - als westlicher Tourist bleiben einem daher nur ein paar vorhandene Fotografien, um eine Idee zu bekommen wie es im Pavillon aussieht.

Nicht im Bild: Tausende andere Touristen, denen ich den Ellenbogen in die Rippen rammen musste um dieses Bild zu bekommen 



Ein Glücksritual: man versucht Münzen in die Schalen vor dem Buddha zu werfen.


Nachdem wir sowohl der Schönheit des Pavillons als auch der Enge der Menschenströme entkommen waren, teilte sich die Gruppe. Für den Nachmittag wollten wir einigermaßen individuell die Innenstadt erkunden und ein bisschen - na was wohl - shoppen! Denn dazu bietet Kyoto unendlich viele Möglichkeiten und mit ein bisschen Zeit entdeckt man in den Straßen der Innenstadt so manche Besonderheiten.
Hier soll erstmal aus Sicht der Gruppe Moni, Sophie, Robert berichtet werden - denn schließlich schreibe ich (also Robert) den Blog.

Diese beiden Herren sorgten an einer vielbefahrenen Kreuzung für Sicherheit beim Überqueren der Straße


Wir fuhren in die Innenstadt, vorbei am Kaiserpalast von Kyoto, den man nur nach vorheriger Anmeldung bei der Kaiserlichen Haushaltsbehörde (ja, sowas gibt es) besuchen kann und fanden in der Nähe des Rathauses von Kyoto ein leckeres Restaurant mit Katsudon - panierte Schweineschnitzel auf Reis - zur Stärkung.

Von dort aus liefen wir zur Teramachi, einer der ältesten Ladenstraßen der Stadt.
Auf dem Weg kamen wir an einem kleinen Snack-Geschäft vorbei, in dessen Schaufenster zwei müde Kätzchen schlummerten. Noch während wir an der Scheibe die Worte "Beim Betreten des Ladens bitte nicht die Katzen anfassen" lasen, öffnete uns die mutmaßliche Tochter der alten Ladenbesitzerin die Tür, winkte uns herein und forderte uns auf, dem äußerst niedlichen Katzen-Duo ein paar Streicheleinheiten zukommen zu lassen. Na da sagen wir nicht Nein...



Beim Abschied - und natürlich nach dem Kauf einiger Snacks bei den netten Damen - war den beiden Miezen anzusehen, dass sie nun einfach nur weiter dösen wollten.
Denn obwohl es erst April ist, sorgten 25 Grad Lufttemperatur in Verbindung mit der Lage Kyotos in einem Talkessel und der hohen Luftfeuchte für ein sommerliches Klima.

Zum Glück ist der Hauptteil der Teramachi, in den wir nun gelangten, aber überdacht. Das war nicht immer so - die heutigen Arkaden wurden erst später über die bestehenden Häuser gestülpt, was an einigen Stellen zu sehr merkwürdigen Kontrasten in der Architektur führte.
Und obwohl die Teramachi die "Hauptstraße" dieses Shopping-Distrikts ist, hat sich um sie herum längst ein unüberschaubares Netz aus weiteren Arkaden gebildet, in denen man sich leicht verlaufen und stundenlang verlieren kann. Wie wir am Abend nämlich feststellten, waren auch Momo, Arthur und Poti in den Arkaden unterwegs gewesen - aber wir waren uns weder über den Weg gelaufen, noch hatten wir die gleichen Läden gesehen.


Taiyaki - gefülltes Gebäck in Fischform 


Mit dem nahenden Sonnenuntergang rissen wir uns letztlich von den Läden los und schworen, in den nächsten Tagen nochmal wieder zu kommen. Für den Moment gab es aber noch ein weiteres Ziel, nämlich noch einmal zurück nach Gion zu gehen.


Typisch Japanisch - erstmal entschuldigen. 


Anstatt wie am Vortag durch die überfüllten Hauptstraßen zu laufen, ging es diesmal durch kleine Seitenstraßen, in denen wohl das Nachtleben Kyotos stattfindet. Wir kamen vorbei an Musik-Clubs, Bars und Hostess-Clubs, in letzteren bezahlen gut betuchte Herren Unmengen Geld für überteuerte Getränke und die Gesellschaft hübscher Damen. Dabei geht es tatsächlich nur um Konversation und das Gefühl verhätschelt zu werden, mit Prostitution haben diese Clubs nichts zu tun. Ob sie allerdings halten, was die ausgiebig retuschierten Fotos auf den Werbetafeln versprechen, bleibt anzuzweifeln.

Unser Ziel war der Yasaka-Schrein, an dem wir über unser erstes Schreinfest gestolpert waren. Wenn die Sonne untergeht, werden nämlich hunderte Laternen am Hauptschrein entzündet - was in diesem Fall bedeutet dass irgendein Schrein-Mitarbeiter einen Schalter umlegt, denn die Laternen sind längst elektrisch. Die Laternen selbst sind übrigens Spenden von Unternehmen, die sich damit Prestige und das Wohlwollen der Götter sichern möchten.





Vom Schrein aus liefen wir dann wieder zurück ins Geisha-Viertel Gion und dessen Nebenstraßen, in denen sich ohne Taxi-Verkehr und Menschenmassen dann auch endlich ein paar schöne Momente einfangen ließen.




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